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Zelt

Die Unterscheidung zwischen Sommerzelt und Winterzelt ist in Skandinavien bedeutungslos. Zelthersteller bezeichnen ihr Zelt nämlich dann als wintertauglich, wenn die Gestänge auch harte Stürme überstehen und der Stoff besonders reißfest und belastbar ist. Diese Eigenschaften muss ein Zelt im skandinavischen Fjäll aber das ganze Jahr über erfüllen.

Eine Zeltnacht im Padjelanta Nationalpark

Denn die Stürme im Herbst und manchmal auch im Sommer stehen der Heftigkeit im Winter kaum nach, und wasserdicht muss ein Zelt sowieso sein. Außer vielleicht im Winter, wo kaum Feuchtigkeit von außen eindringt und eine gute Belüftung wichtiger ist. Im Winter sollte man sich bei großen Zelten für vier Personen oder mehr sogar überlegen, über dem Kochbereich ein (bei Sturm verschließbares) Loch in den Stoff zu schneiden: Die von den Kochern produzierte Feuchtigkeit kann so gut entweichen und schlägt sich nicht als Eisschicht innen nieder. Natürlich muss das mit Bedacht geschehen, damit die Lochränder nicht einreißen oder das Zelt an Stabilität verliert.

Geodätisch versus Tunnel

Besonders windstabil sind geodätische Zeltkonstruktionen mit ihren an mehreren Punkten überkreuzten Stangen, die sich mit ihrer Spannung gegenseitig stabilisieren (das bekannteste Modell VE24 stammt von North Face). Diese Zelte besitzen aber meist einen entscheiden Nachteil: Man muss das Innenzelt zuerst aufbauen und wirft erst dann das Außenzelt über. Im sommerlichen Regen führt das dazu, dass das Innenzelt (und damit der Bereich, in dem man schlafen wird) schon pitschnass ist, bevor das Zelt überhaupt steht. Und im Winter wird diese Aufgabe bei Sturm und Kälte zum Geduldsspiel: Entweder fliegt das Außenzelt weg, oder man friert sich die Finger ab bei dem Versuch, die Gestänge in die Netzkanäle des Innenzelts zu fummeln. Nicht nur für einen Solo-Wanderer ist es also extrem wichtig, dass man seine “Hütte” bei widriger Witterung allein und in kurzer Zeit aufstellen kann.

Warm im Lavvu trotz strengem Frost

Wohl deshalb bauen die bekanntesten skandinavischen Zeltkonstrukteure (Fjällräven, Hilleberg, Helsport) fast ausschließlich Tunnelzelte. Dieser Zelttyp bietet ein unschlagbares Gewicht/Raum-Verhältnis und vermittelt dank der großen Apsis einen geräumigen Eindruck. Da man mit längeren Regenperioden rechnen muss, sollte man ausreichend Platz nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit betrachten. Bei Tunneln kann man gewöhnlich das Innenzelt auch nach dem Aufstellen des Außenzelts einhängen oder sogar (beides ineinander eingehängt) gemeinsam aufstellen.

Die Tunnelzelte reichen ihren geodätischen Kollegen in punkto Windstabilität zwar nicht ganz das Wasser, doch richtig aufgebaut und abgespannt überlebt auch ein Tunnel fast alle Stürme. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann seine Stangen gegen stabilere ersetzen. Bo Hilleberg bietet etwa für alle seine Zelte neben den normalen 8,6-mm-Stangen auch welche mit 9,5 mm Stärke an.

Zur Sicherheit

Zeltnacht am Draksryggen

Im Wintergepäck sollte immer ein Zelt dabei sein. Zumindest dann, wenn man nicht schon einige winterliche Fjällerfahrung mit Sturm-Übernachtungen im Freien gesammelt hat. Autoren-Kollegen, die bei einer reinen Hüttentour nur einen Biwaksack empfehlen, wissen nicht, wovon sie reden und haben wohl noch keinen Sturm selbst erlebt. Schneestürme können mehrere Tage dauern und mit solcher Heftigkeit wüten, dass man im Freien die Hand nicht vor Augen sieht und das Gefühl für oben und unten verloren geht. Besonders gefährlich daran: Diese Stürme können sehr abrupt und schnell beginnen. Es ist also unbedingt nötig, den Himmel und die Wetterlage genau zu beobachten und lieber zu früh als zu spät das Zelt aufzustellen. Auch dann, wenn die Hütte nur wenige Kilometer entfernt ist.

Die meisten Unglücksfälle im Winter entstanden, als Wanderer unbedingt noch die schützende Hütte erreichen wollten und bis zur völligen Erschöpfung orientierungslos dahinirrten. Da man ohne Zelt im Sturm noch nicht mal in Ruhe Sachen aus dem Rucksack holen oder gar kochen kann, neigen Wanderer mit Biwaksäcken dazu, zu spät ihr Lager aufzuschlagen und zu früh wieder aufzubrechen. Erschöpfte und Hungrige frieren aber leichter und verlieren sich in panischen Kurzschluss-Handlungen. Deswegen: Zelt raus und abwarten!

Schon mal eine Schneehöhle gegraben?

Wer allerdings zu lange gewartet hat und aufgrund des orkanartigen Windes sein Zelt nicht mehr zum Stehen bringt, muss anderweitig Schutz suchen. Viele Kollegen empfehlen, sich eine Schneehöhle zu graben. Ich genieße diese Empfehlung mit Vorsicht. Probieren Sie es einmal selbst aus: Sie werden feststellen, dass Sie meist erst lange nach einer richtigen Stelle suchen müssen, weil sich nur windabgewandte Hangseiten dafür eignen. Außerdem dauert das Graben einer Höhle, die einer Person und dem Rucksack notdürftig Platz bieten kann, schon bei gutem Wetter mindestens eine Stunde. Wenn ein Sturm den eben herausgeschippten Schnee wieder von der Schaufel in die Öffnung zurücktreibt, natürlich noch viel länger. In dieser Zeit ist man meist schon völlig ausgekühlt.

Im Lavvu brennt der Ofen

Dennoch kann natürlich das Eingraben ein Überleben in Notsituationen sichern. Was ich nur sagen will, ist folgendes: Man sollte nicht zuviel Zeit und Energie damit verschwenden, ein großes Loch zu buddeln. Eine kleine Mulde reicht oft schon aus, um möglichst schnell in den warmen Schlafsack zu kriechen, sich zuschneien zu lassen und das Schlimmste abzuwarten. Wenn der Sturm kurze Atempausen einlegt, kann man immer noch versuchen, das Zelt aufzustellen.

Wer mal einen oder gar mehrere Tage bei Sturm “abwettern” musste, weiß die Vorteile eines Zelts zu schätzen: Man hat mehr Platz, kann “gemütlich” kochen und dadurch auch noch den Innenraum beheizen. Und man kann in Ruhe durchatmen und hat ganz allgemein ein für die Psyche sehr wichtiges Gefühl der Sicherheit. Ein Sturm mit seiner unvorstellbaren Gewalt kann eklig sein und enorm einschüchtern. Da tut es gut, ein Refugium zu haben, in dem man sich halbwegs sicher fühlt.