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Plädoyer

“Da geht jetzt nichts mehr” schnauzt mich ein grimmiger Wandersmann an. Erstaunt sehe ich mir den Deutschen näher an, der gerade ein Spiegelei in die Pfanne schlägt. Ich hatte ihn eigentlich nur gefragt, ob er auch zu einer Fjälltour in die nordskandinavischen Berge wolle, oder ob er schon wieder auf dem Rückweg in die Heimat sei.

Es ist Mitte September, und wir sitzen in der Küche des schwedischen Wandererheims in Jokkmokk am Polarkreis. Ich werde am nächsten Tag zu einer dreiwöchigen Tour in Süd-Lappland aufbrechen, doch der Griesgram hat es sich zum Ziel gemacht, einen zu dieser Zeit startenden Wanderer als leichtsinnigen Idioten abzukanzeln. “Jetzt fällt bald Schnee”, erklärt er gönnerhaft, “und die Fährverbindungen über die Seen sind eingestellt, weil die Samen jetzt alle auf der Elchjagd sind.”

… für ein wenig mehr Lässigkeit

Er irrt, doch ich habe keine Lust, mich mit ihm zu streiten. Ich müsste ihm dazu erklären, dass ich mit sämtlichen Bootsführern auf meiner Route telefoniert und die Auskunft erhalten habe, sie würden überfahren, bis die Seen zufrieren. Ich müsste ihm weiter erzählen, dass ich nun seit über 14 Monaten nonstop hier oben unterwegs bin und seitdem 7.000 Kilometer auf Schlittenkufen, Skiern und zu Fuß in den Bergen zurückgelegt habe. Und dass das bisschen Schnee in dieser Jahreszeit das Gehen kaum behindern wird.

Weicheier und Schweinehunde

“Ich musste mich selbst schon mal Ende September von einer Rettungsmannschaft ausfliegen lassen, als ich vom Schnee überrascht wurde”, ergänzt der Nörgler stolz. Ich lächle peinlich berührt und verabschiede mich. Meine Erwiderung, dass hier oben in fast jedem Tal andere klimatische Bedingungen herrschen und die Wandersaison im September noch längst nicht enden muss, hätte keinen Sinn. Doch wieder einmal gerate ich ins Grübeln: Sind wir Deutsche denn tatsächlich ein Volk der Besserwisser und Outdoor-Profis, die allen anderen zeigen müssen, wie der Trekking-Hase läuft? Es scheint so. Denn prompt ermuntert mich ein altes schwedisches Paar beim Aufbruch mit den Worten:

“Die Jahreszeit ist herrlich für eine Fjäll-Tour. Viel Spaß!”

Im vergangenen Jahr hatte ich auf meinen Wanderungen viel Zeit, all die Hüttenbücher der zahlreichen Berghütten zu lesen, die ich besucht hatte. “Wir kamen hier gegen 16 Uhr bei herrlichem Wetter an und fischten ein wenig im See” – so beginnt etwa der typische Eintrag eines Norwegers. “Danach brieten wir Renfleisch und legten uns in die Sonne. Heute laufen wir weiter nordwärts, bei starkem Wind, leichtem Schneefall und Temperaturen um den Gefrierpunkt.”

Und die Deutschen? Die diskutieren in Hüttenbüchern darüber, dass der Kungsleden für Weicheier und nur der Sarek für harte Kerle sei. Dass man “den inneren Schweinehund überwinden müsse”, und dass es Hütten wie diese in Deutschland leider nicht gäbe. Wohl wahr, denn ich habe leider all zu viele Landsleute getroffen, die die ??bernachtungsgebühr prellten.

Die Fjällstation Absiko im Abendlicht
Die Fjällstation Absiko im Abendlicht

Asketisches Trapperdasein

Ob diese Schwarzweiß-Malerei nicht etwas übertrieben sei, mag mancher einwerfen. Möglich, doch nach meiner einjährigen Wanderzeit hier oben fällt mir unsere deutsche Perfektionisten-Mentalität im Kontrast zur skandinavischen Lässigkeit besonders deutlich auf. Norweger und Schweden genie??en das “friluftsliv”, das Leben im Freien. Deutsche wollen sich messen “im Kampf mit der Natur”, wollen Berge “bezwingen” und als Einzelgänger ein asketisches Trapperdasein im hohen Norden fristen, wenigstens zwei Wochen lang während der Ferien.

Während sie an einem ungenießbaren Rührei herumwürgen, fabriziert mit dem Leichtgewichts-Volleipulver aus der silbernen Trekking-Tüte, mokieren sie sich über die “dummen Norweger”. Denn die wuchten Eier, Würstchen, Frischmilch und Wein in ihren Rucksäcken auf die Berge und brutzeln sich dann ein feines Mahl. Und während Einheimische Informationen über Wegbeschaffenheit, Zustand der Brücken, Schneehöhe und Eisdicke austauschen, streiten wir über die besten Daunenloft-Werte, Software-Versionen unserer GPS-Geräte und Brennwerte von Müsliriegeln.

Daunenloft-Werte und Müsliriegel-Brennwerte

Mal ehrlich – sind wir nicht irgendwann mal zum Wandern aufgebrochen, um die Natur (und sei sie bisweilen noch so steil, schlammig und mückenverseucht) zu genießen und Spaß am “Draußen-Sein” zu haben? Und ist es möglich, dass wir uns auf dem Weg dahin verfangen haben im Werbe-Dickicht immer noch “funktionellerer” Outdoor-Produkte, im übertriebenen Expeditionsgehabe unserer “beinharten” Wintertouren und im Konkurrenzdenken um die längste Tagesetappe?

Es fällt zumindest auf, dass deutsche Wanderer bei Begegnungen im baumlosen Fjäll nach dem Rucksackgewicht, der Länge der Tour oder nach kostenlosen Übernachtungshütten fragen. Skandinavier dagegen erzählen, dass im Tal da hinten gerade eine Rentierherde vorbeiziehe. Und dass sie ein paar Meter abseits des Wanderwegs eine Vielfraß-Fährte gesehen hätten. Genau das war es doch, weswegen wir eigentlich den Rucksack packen und unsere Stiefel schnüren, oder?